Tagebuch einer Auferstehung
- Tag, 23.11.2001
Heute ist es endlich soweit. Ich bekomme meine erste Chemo-Therapie. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll, ist es doch ein ziemlicher Eingriff in meine körperliche Unversehrtheit.
Doch wie ist es dazu gekommen:
Ich bekam Anfang des Jahres eine kleine Beule am Hals, die sich im Laufe der Zeit immer weiter vergrößerte. Also ging ich zum HNO-Arzt und ließ mich untersuchen. Er nahm eine Probe per Spritze und machte mir jedoch Hoffnung, dass alles in Ordnung wäre, da sich der Knoten verschieben ließ. Das Ergebnis der Probe war dann auch negativ. Da die Beule jedoch nicht wegging, sondern im Gegenteil sich auch noch vergrößerte, kamen wir beim nächsten Besuch überein, diese im Krankenhaus entfernen zu lassen. Gesagt, getan und ein banges Warten auf das Ergebnis der histologischen Untersuchung. Nach ca. 7 Wochen kam es dann endlich. Befund: NonHodgkin. Ich war zuerst einmal fertig. Brach für mich doch eine Welt zusammen. Ich hielt mich immer für einen der gesündesten Menschen auf Erden und nun dieses. Das musste ich erst einmal verkraften. Ich ging jedoch weiterhin zur Arbeit, konnte mich dort aber nicht so richtig auf meine Tätigkeiten konzentrieren. Und wie sollte ich es meinem Arbeitgeber beibringen? Ich setzte mich also mit meinem Chef in den Konferenzraum, wo wir ungestört waren und teilte ihm meinen Befund mit. Ich konnte die Tränen dabei nicht zurückhalten und denke, dass auch er damit seine Probleme hatte. Zumindest an diesem Tag ging ich dann nach Hause, ohne noch weiterzuarbeiten. Im Laufe der Zeit verinnerlichte ich meine Krankheit und begann sie zu akzeptieren. Ich konnte frei darüber sprechen und sogar andere trösten, die mir nahe stehen.
Es folgten natürlich noch diverse Untersuchungen und Beratungsgespräche, bei denen wir übereinkamen, dass ich versuchen sollte an der so genannten Hedemann-Studie teilzunehmen. Bei dieser Studie bekommt man zusätzlich zur Chemo noch ein weiteres Medikament, welches in der Erprobung ist. Nur, dafür war ich noch nicht krank genug. Die Lymphknoten hatten noch nicht die richtige Größe. Also, hieß es noch warten.
Anfang September bekam ich leichten Husten, der sich im Laufe der Zeit immer mehr verschlimmerte. Ich laufe leidenschaftlich gerne mit meinen Inlinern, aber auch hier wurde es immer schlechter. Mir blieb einfach die Luft weg. Ich wurde also erst einmal auf Husten bzw. Bronchitis behandelt und der Husten löste sich dann auch. Nur mit der Luft wurde es immer schlimmer. Nachts konnte ich schon nicht mehr schlafen, wie ich ein ständiges Rasseln im Hals hatte und auch nur noch auf einer Seite liegend atmen konnte. Da musste also mehr sein. Am 19.11. wurde ich also geröntgt und es wurde noch ein zusätzliches CT angefertigt. Ergebnis: In der linken Lungenhälfte war eine große Ansammlung von Wasser. Das musste natürlich raus. Da mein Blutdruck relativ niedrig war (bedingt durch das Wasser) kamen wir überein, es nicht medikamentös, sondern per Punktion zu machen. Das geschah dann am 22.11. und förderte 1,5 Liter Flüssigkeit zutage. Den Weg hin zur Punktion hatte ich schwere Atemnot; zurück ging es dann endlich. Ich konnte schon wieder fast normal atmen. Während der Punktion und auch gleich danach besprachen wir das weitere Vorgehen meiner zukünftigen Behandlung. Die Unterlagen für die Erfordernisse der Hedemannstudie waren endlich angekommen und nach eingehender Begutachtung haben wir uns dann gegen die Studie entschieden, da alle Untersuchungen, die ich bislang über mich ergehen hatte lassen müssen, noch einmal hätten wiederholt werden sollen. Mit allen zeitlichen Verzögerungen, die es wieder mit sich gebracht hätte. Das wollte ich auf keinen Fall. Ich wollte es hinter mich bringen.
Also entschieden wir, dass am folgenden Tag die Therapie beginnen sollte. Ich ging mit sehr gemischten Gefühlen zu meiner ersten Behandlung, hatte ich doch schon bei meinen vorherigen Arztbesuchen gesehen, wie auch andere Patienten stundenlang am Tropf hingen und es über sich ergehen ließen. Tja, nun war ich selbst dran. Mein Arzt hatte mir vorab erzählt, dass bei meinem Krankheitsbild die Lymphknoten nur so wegschmelzen würden und ich auch ziemlich euphorisch aus meiner Chemo kommen würde, da dieses mit den Medikamenten zusammenhängen würde. Ich bekam meine Infusionen angelegt und war überrascht, dass ich eigentlich, bis auf den Einstich, überhaupt nichts davon spürte. Mit der Euphorie hatte mein Arzt recht, wenn ich es auch eher darauf zurückführe, dass ein negativer Einfluss (seien es Schmerzen oder Übelkeit oder was auch immer) während und nach der Chemo einfach ausblieb. Ich hätte sogar selber mit dem Auto wieder nach Hause fahren können, so gut (oder normal) ging es mir.
Ich muss sehr viel trinken, da die Krebszellen, die durch die Chemo abgetötet werden über die Nieren ausgespült werden. Es sollen täglich zwei bis drei Liter Flüssigkeit sein, womit ich meine Probleme habe, da ich nie viel getrunken habe. Aber, wenn man muss, geht es. Ich bekam also ca. 2 Liter Flüssigkeiten in die Vene und trank im Laufe des Tages auch noch weitere 3 Liter Wasser. Entsprechend oft musste ich auch zur Toilette (in der ersten Nacht ziemlich genau alle Stunde), was meinen Schlaf nicht gerade sehr erholsam gestaltete. Aber, dieses waren die einzigen Auswirkungen, die ich von meiner ersten Therapie direkt verspürte.
2.Tag, 24.11.01
Ich muss eine Menge Medikamente zu mir nehmen. Insgesamt am Morgen 5 Pillen, eine Spritze sowie unterschiedliche Tropfen. Das ist für mich eine psychische Belastung, da ich Medikamenten gegenüber nicht gerade freundlich gesonnen bin. Ich meine immer, dass man mit normalen Hausmitteln (schwitzen, Tees usw.) den gleichen Effekt erzielen kann und auch erzielt (zumindest bei mir klappt es). Nun bin ich natürlich in einer Situation, die diese Hausmittel nicht mehr zulässt und ich muss mich in das Unvermeidliche fügen, ob es mir gefällt oder nicht.
Ich untersuche mich natürlich selber und suche schon nach Auswirkungen der Chemo-Therapie und habe den Eindruck, dass sich tatsächlich schon etwas getan hat. Mein Hals ist wieder etwas schmaler geworden und auch die zuerst strammen Lymphstränge am Hals sich weicher und kleiner geworden. Dies lässt mich hoffnungsvoll in die Zukunft schauen. Auch kann ich normal Essen, wenngleich aufgrund der vielen Flüssigkeit, die ich zu mir nehme, der Magen immer ziemlich voll ist. Im Großen und Ganzen fühle ich mich wohl und habe bislang keine negativen Erscheinungen.
3.Tag, 25.11.01
Heute stellte ich fest, dass die Schwellung, die ich am Schambein hatte, ebenfalls sehr zurückgegangen ist. Ich schätze, dass es noch einen Tag dauert, dann ist sie ganz weg. Ich war noch etwas Müde nach dem Aufstehen und legte mich nach dem Frühstück wieder ins Bett und schlief noch einmal eine Stunde. Habe jetzt einen seltsamen pelzigen Geschmack im Mund, der sicherlich von einem speziellen Medikament kommt, welches Pilzerkrankungen im Mund, Magen- und Darmtrackt vorbeugen soll. Ich fühle mich jedoch wohl und bin guter Hoffnung, dass es so weitergeht. In ca. drei Wochen sollen mir die Haare ausfallen. Da ich ohnehin nicht allzu viele mehr auf dem Kopf habe, glaube ich, dass es mir nichts ausmachen wird. Andererseits, vielleicht werden sie mir auch fehlen. Aber, warten wir es ab.
Scheint heute irgendwie doch nicht so mein Tag zu sein. Bin sehr müde und habe immer ein merkwürdig kaltes Gefühl in der Brust beim Atmen.
4.Tag, 26.11.01
Die heutige Nacht war alles andere als angenehm. Ständig war ich wach und konnte nicht mehr einschlafen. Das kalte Gefühl in meiner Brust wurde immer stärker. Habe ich auf einer Seite gelegen und wollte mich auf die andere drehen, so tat der erste Atemzug auf der anderen Seite unglaublich weh. Ich vermute, dass ich Probleme mit dem Zwerchfell habe.
Das Aufstehen am Morgen war allerdings ohne Probleme. Ich bin dann am Morgen zur Krankenkasse gefahren, um zu erfahren, wie ich finanziell dastehe, wenn ich halbtags arbeite. Laut Barmer, würden sie das gesamte Krankengeld übernehmen (ca. 70%). Der Arbeitgeber müsste nichts bezahlen, kann aber. Ich bin dann noch nach Hamburg gefahren, um mit meinem Arbeitgeber darüber zu sprechen. Leider war Dieter (mein Chef) nicht im Hause, sondern kommt erst nächste Woche wieder. Man war dort jedoch sehr erfreut über meinen Besuch und ich ließ mir noch die Möglichkeit einrichten, eventuell von zu Hause aus zu arbeiten, da ich nicht völlig abgeschnitten werden will.
Ob ich halbtags in Hamburg etwas tue, muss ich noch klären. Bei einem Krankengeld von 70% habe ich ca. 1000.- DM weniger netto im Monat und hätte trotzdem noch die Fahrtkosten zur Arbeit. Das sind natürlich enorme Einbußen, über die ich noch reden muss.
Britta (beste Freundin und Nachbarin) brachte noch Apfelsaft rüber, der vorzüglich schmeckt und mir dabei hilft, mein tägliches Pensum an Flüssigkeit zu schaffen. Nur alleine immer Wasser zu trinken schaff ich einfach nicht mehr. Wir saßen dann noch im Wintergarten zusammen und redeten bei einem Glühwein (ich war davon natürlich ausgenommen) über alles Mögliche.
5.Tag 27.11.01
Die Nacht war besser als die vorherige. Vielleicht lag es daran, dass ich mehr getrunken habe als am Vortag und entsprechend mehr ausschied. Warum auch immer, es war halt besser. Ansonsten fühle ich mich heute sehr müde und antriebslos. Ich liege auch nur den ganzen Tag auf dem Sofa, schaue fern oder lese.
Am Vormittag war ich kurz einkaufen und habe einen Toaster geholt. Hatte zwar eigentlich keinen Hunger mehr, aber ausprobieren musste ich ihn doch. Es passten noch vier Scheiben Toastbrot in den Magen.
Morgen mache ich noch einen Arztbesuch und lasse mir meine Stimmbänder überprüfen. Ich werde immer sehr schnell heiser, wenn ich einige Sätze gesprochen habe. Auch habe ich einen ständigen leichten Husten, den ich aber auch auf Wasserablagerungen im Zwerchfell zurückführe. Hoffentlich wird das endlich bald abgebaut, so dass ich wieder völlig normal atmen kann.
6.Tag, 28.11.01
Schlechte Nacht gehabt. Habe kaum geschlafen. Irgendwie konnte ich meinen Kopf nicht ruhig bekommen. Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf. War eine ziemlich lange Nacht. Ich hatte am Morgen einen Termin beim HNO-Arzt, da mir meine Stimme einfach wegbleibt. Der Grund ist: Der Abstand zwischen meinen Stimmbändern hat sich vergrößert (liegt vielleicht an den Lymphknoten), so dass ich mit wesentlich mehr Luft sprechen muss. Das klingt dann so, als wäre ich Kurzatmig. Sonst geht es mir gut. Bin nur etwas müde, was aber an der durchwachten Nacht liegt.
Ich war heute in Hamburg, um mein Notebook einrichten zu lassen. Habe irgendwie den Eindruck gehabt, nicht wie sonst eine Einheit mit dem Wagen zu bilden, sondern diesen bewusst fahren zu müssen. Ist aber alles gut gegangen. Bin wieder zu Hause.
Seit heute kann ich endlich das Kortison absetzen. Ich musste davon täglich am Morgen 200 Einheiten = 4 Pillen schlucken. Laut Beschreibung sollte es nach dem Absetzen zu Entzugserscheinungen kommen. Ich kann keine feststellen. Aber wer weiß, vielleicht kommen sie noch.
7.Tag, 29.11.01
Scheine Glück zu haben. Ich habe offensichtlich keine Entzugserscheinungen. Die Nieren tun ein bisschen weh, was wohl nur daran liegt, dass sie extrem viel zu tun haben. Eigentlich wollte ich noch etwas einkaufen gehen, traue mich jedoch nicht Auto zu fahren. Ich warte auf Ulrike und wir fahren dann am Nachmittag.
Das taten wir dann auch. Wir haben zwei Kisten Fruchtsaft aus Bleckede geholt. Hin fuhr Ulrike, zurück ich. Da war wieder alles in Ordnung. Vielleicht war ich nur ein wenig zu vorsichtig. Aber, es kann nicht schaden.
8.Tag, 30.11.01
Heute muss ich zur Blutentnahme nach Lüneburg. Habe keine Probleme mit dem Aufstehen und fühle mich, vor allem psychisch, wohl. Körperlich bin ich ein wenig verspannt durch das viele Liegen auf dem Sofa oder im Bett. Habe auch immer noch ein Kratzen im Hals. Die Erkältung, die mir schon seit Wochen in den Knochen steckt, will einfach nicht verschwinden. Ich huste immer noch leicht vor mich hin. Bin auch etwas müde, was aber nur daran liegen kann, dass ich einfach nicht richtig schlafe. Ich bin zu ausgeruht. Vielleicht sollte ich wieder zur Arbeit gehen. Eigentlich ein blöder Gedanke, da ich mich gerade wieder für 14 Tage habe krankschreiben lassen. Aber nächste Woche fahre ich in die Firma und kläre ab, wie ich arbeiten werde. Ich möchte gerne halbtags arbeiten. Laut Krankenkasse ist das auch gar kein Problem. Ich bin die ganze Zeit über krankgeschrieben und die Kasse übernimmt das Gehalt. Schauen wir mal was mein Chef zu meinem Vorschlag sagen wird. Ich möchte nämlich entweder die restlichen 30% von der Firma bekommen, oder pro Tag 40.- DM netto, den ich arbeite.
Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich 3-4 Stunden täglich komme (wenn ich dann kann) und die Fahrtkosten ganz normal über eine Spesenabrechnung durchführe. Das kommt mir sehr gelegen, da es so die wenigste Mühe macht.
Ich halte diese Regelung jetzt schon diverse Tage durch und bin mit dem Job zufrieden. Sicher, ich bin trotz der wenigen Stunden nicht so belastbar, aber ich bin nicht raus und habe noch immer meine gute Lösungsquote, was mich weiterhin motiviert.
Tag X
Ich weiß leider nicht mehr, wann ich mit meiner Chemo durch war. Sie ist jedoch gut angeschlagen und bereitete mir keine großen Probleme. Einzig: sie war kein voller Erfolg. Es sind noch Reste von Lymphknoten vorhanden, die jetzt per Hochdosis-Chemotherapie beseitigt werden sollen. Ich war zu einem entsprechenden Vorgespräch im Krankenhaus St.Georg, um den Termin abzusprechen. Am 18.04.02 soll es losgehen.
Ich habe ziemliche psychische Probleme mit dem Gedanken, mich für einige Tage in das Krankenhaus zu begeben und dort ständig an irgendwelche Tröpfe angeschlossen zu werden. Aber es muss sein. Ich will dem noch vorhandenen Krebs nicht die Möglichkeit geben, sich wieder weiter auszubreiten. Ich bin der Boss in meinem Körper und nicht diese kleinen Vielfrasse.
18.04.02
Heute ist der Tag. Es geht in das AK St.Georg. Ich fahre mit der Bahn ins Krankenhaus und vermisse jetzt schon meine Ulrike. Ich hätte sie gerne bei mir gehabt. Sicher, in Gedanken ist sie bei mir und macht sich auch Sorgen um meine/unsere Zukunft, aber in Gedanken dabei zu sein oder aber persönlich die Hand zu halten, ist doch ein Unterschied.
Im Krankenhaus angekommen geht es erst einmal zur Anmeldung und dann auf die Station. Hier liege ich mit einem Mann zusammen, der ebenfalls ein malignes Lymphon hat und hier bereits seine zweite Therapie bestreitet. Er hat also entsprechende Erfahrung und weiß wie es hier funktioniert. Gott sei Dank ist er auch locker drauf und wir verstehen uns gleich von Anfang an.
Nur ich habe ständig den gleichen Gedanken: Ich will hier wieder raus. Scheint wohl so eine Art Krankenhaus-Koller zu sein. Ich hoffe es geht wieder vorbei. Ich könnte heulen, so fühl ich mich seelisch.
19.04.02
Heute begann meine Therapie mit der Einnahme von Kortison. Mehr spielt sich den ganzen Tag nicht mehr ab und ich habe wieder viel Zeit zu grübeln und wieder nach Hause zu wollen. Ich muss mich zusammenreißen. Glücklicherweise ist das Essen gut und es schmeckt mir. Wenigstens ein Lichtblick.
20.04.02
Heute bekam ich meinen Zugang gelegt. Hier werden die Infusionen angeschlossen. Ich bekomme einen 24 Stunden Tropf mit Kochsalzlösung, um den Zugang frei zu halten. Habe nicht damit gerechnet mit dem Gestell über Nacht klar zu kommen, klappte aber ganz gut. Ulrike kam heute zu besuch und ich habe mich sehr darüber gefreut.
Es ist schon seltsam: Da bin ich (mit Unterbrechungen) Wochenlang bei einem Kunden, schlafe im Hotel und vermisse sie nicht so, wie schon an dem Tag, an dem ich ins Krankenhaus gehe. Ich brauche ihre Stärke. Habe mich wohl bei ihrem Besuch ein wenig voll gegessen. Jedenfalls habe ich Magenprobleme seit unserem Besuch in der Cafeteria. Scheint ein wenig sehr voll zu sein.
21.04.02
Habe eine schreckliche Nacht hinter mir. Konnte nicht schlafen und habe ständig Brechreiz.
Kann immer noch nicht richtig was Essen. Ich muss mir vielleicht an dem Kirschkuchen den Magen verdorben haben. Vielleicht spielen auch die Medikamente in den Infusionen eine Rolle. Jedenfalls ist mir alles andere als Gut. Ich liege hier eigentlich nur so im Bett und hänge durch.
22.04.02
Habe mir ein Mittel gegen Brechreiz geben lassen und es geht allmählich besser. Ich fühle mich zwar immer noch nicht wohl, aber es scheint aufwärts zu gehen. Meine psychischen Probleme haben sich glücklicherweise gelegt. Ich komme allmählich mit meiner Situation zurecht
23.04.02
Heute geht es mir endlich wieder gut. Ich habe sogar wieder gefrühstückt und wie man sieht, auch mein Notebook wieder angefasst. Ulrike kommt heute vorbei und ich erwarte sie schon sehnsüchtig. Auch vermisse ich unsere kleine Sabine, unseren Dackel. Sie scheint mich ebenfalls zu vermissen, da sie immer wieder nach Autos horcht und vermutlich hofft, ich käme nach Hause. Am Freitag wird es dann soweit sein und ich kann vermutlich bis Dienstagmorgen zu hause bleiben. Ich freue mich schon darauf. Anschließend muss ich dann noch einmal eine Woche ins Krankenhaus. In dieser Woche werden mir dann Stammzellen entnommen, die dann wieder nach Abschluss der Hochdosis-Behandlung rückgeführt werden. Ob ich mich darauf freuen soll, kann ich allerdings auch nicht sagen. Die ganze Vorbehandlung, die ich zu Zeit bekomme, dient eigentlich nur dem Zweck ebendiese Stammzellen zu entnehmen und schlaucht mich jetzt schon. Wenn ich mir vorstelle, dass mein Rückenmark zur endgültigen Behandlung praktisch zerstört wird, um die Krebszellen ebenfalls auf diesem Wege zu zerstören, kann ich mir schon vorstellen, wie es mir ergehen wird. Aber die Rückführung der Stammzellen soll mich ja wieder auf die Beine bringen. Warten wir es ab.
24.04.02
Habe heute Nacht leider nicht allzu gut geschlafen. Nach meiner Chemo am Abend schlief ich zwar gleich ein, aber gegen 2:30 Uhr war die Nacht dann zu Ende. Das ist schon eine miese Quälerei, wenn man im Bett liegt und nicht schlafen kann. Gegen Morgen wurde ich dann endlich wieder müde, konnte dann jedoch nicht mehr schlafen, da die übliche Morgenroutine begann. Auch habe ich immer noch Probleme mit meinem Magen. Ich hoffe, dass sich das endlich geben wird. Vielleicht ist es auch eine normale Auswirkung der Chemikalien, die ich so eingetrichtert bekomme. Jedenfalls: unangenehm.
Die Chemos, die ich am Abend bekomme, werden nicht von den hiesigen Stationsärzten verabreicht, sondern von irgendwelchen aus dem Hause. Das geschah jetzt an zwei Abenden und es waren zwei unterschiedliche Ärzte. Beides jedoch Hauruck-Typen, mit dem richtigen Gefühl für die Sache. Der erste kam mit benutzten Handschuhen, an denen noch Blutspuren vorheriger Behandlungen waren und knallte mal eben schnell die Infusion an den Anschluss. Der zweite am nächsten Abend wusste offensichtlich gar nicht, was es mit den Chemikalien auf sich hat, denn er spritze fröhlich damit rum. Das waren so zwei Aspiranten, denen ich keinerlei Vertrauen entgegen bringen kann. Vielleicht bessern sie sich ja noch. Ich hatte den Eindruck, als wenn es nur eine lästige Pflichterfüllung für die beiden war und sie lieber wieder zu den Schwestern, zum Fernseher oder wo auch immer hin wollten. Arme Patienten, die zukünftig mit ihnen zu tun haben müssen.
25.04.02
Ich hatte mal wieder eine super Nacht. Schön eingeschlafen und schön schnell zu ende gewesen mit dem Schlafen. Es ist schrecklich im Bett zu liegen und die Gedanken nicht abschalten zu können. Es sind keine speziellen Gedanken wie: wie geht’s es weiter; werde ich wieder Gesund usw. Nein, es sind einfach irgendwelche Gedankenfragmente die einen wach halten. Vielleicht liegt es ja an den Medikamenten. Wenn ja, dann sollte ich es bald hinter mir haben. Ich war heute im UK-Eppendorf zum Vorgespräch zur Stammzellenentnahme. Machte rein optisch nicht gerade einen einladenden Eindruck mit der alten Einrichtung, wie sie wohl schon seit den fünfziger Jahren dort steht (abgesehen natürlich von den modernen Maschinen, die die Zellen entnehmen).
Mit dem Taxifahrer hatte ich ein enormes Glück. Der wusste den Weg zum UKE und dort weiter zur Pathologie. Er fragte mich vorab ob ich denn dort hinwollte und ich sagte nein, ich möchte zur Blutbank. Damit war er nicht so zufrieden, da er ja nun mal nur Erfahrung mit dem Weg zur Pathologie hatte. Schließlich fragte er beim Pförtner des UKE, ob die Blutbank bei der Pathologie ist. Aufgrund der medizinischen Ausbildung des Pförtners konnte der dieses bejahen und der Fahrer fuhr mich zufrieden zur Pathologie. Hier war ich natürlich falsch, ich musste ja zur Blutbank, aber die war glücklicherweise nur ca. 5 Minuten von dort weg (zu Fuss übrigens, da das Taxi schon weg war).
Da ich am Morgen zwei Chemos bekommen hatte, war ich entsprechend erschöpft, als ich wieder in St.Georg ankam und musste auch sofort etwas essen, um mich wenigstens ein wenig aus dem Tief zu bringen. Mittlerweile geht es wieder.
26.04.02
Heute darf ich endlich nach Hause. Ich bekomme Wochenendurlaub bis zum Dienstagmorgen. Ich packe meine Sachen und warte auf das Taxi. Als es endlich kommt, breche ich fast zusammen: Die Fahrerin ist ja noch kaputter als ich.
Ich drücke ihr trotzdem meine schwere Tasche in die Hand und wir gehen zum Taxi. Sie hatte sich auf dem Weg zur Station G2 verlaufen und war nun etwas durcheinander. Ich zeigte ihr also wo es lang geht und wir schafften es wirklich die eine Treppe nach unten zu kommen. Das Taxi selber war eine ebensolche Offenbarung: Uralt, völlig verlodert (sie war anderer Ansicht: Solange der Wagen sauber ist, will sie keinen neuen) und sogar auf dem Dach mit einem Werbeschild versehen. Also, wir fuhren ganz inkognito. Das Fahren an sich war auch schon so eine Sache, schließlich mussten wir noch von dem Krankenhausgelände runter und auch da kann man sich schnell verfahren (es gibt immerhin zwei Ausfahrten). Letztendlich kamen wir auf den Parkplatz, aber von hier nicht weiter. Sie hatte keine Karte für die Schranke gezogen, so dass wir über die Gegenspur fahren mussten. Zwar langsam aber sicher kamen wir in Richtung Elbbrücken. Sie wäre ja lieber über Harburg gefahren, da die Strecke doch schöner ist. Ich jedoch bestand auf die Autobahn. Dort fuhr sie dann auch ganz flott mit ca. 110 km/h auf der linken Spur und regte sich über die Autofahrer auf, die ständig so dicht auffuhren. Schließlich erzählte sie mir noch, dass sie jahrelang in Lüneburg einen Kleingarten hatte und sich dort sehr wohl fühlte. An der ersten Winsener Ausfahrt wollte sie allerdings schon fast von der Autobahn, da für die kommenden Ausfahrten schon Lüneburg angezeigt wurde. Ich beruhigte sie , dass wir noch ein Stück fahren müssten und würde ihr den Weg zeigen. Muss schon ewig her sein, mit dem Kleingarten in Lüneburg. Irgendwann kamen wir dann endlich in Adendorf an und ich konnte mich entspannen.
Torsten stand zufällig vor der Tür und nahm mir meine Tasche ab. Da hatte ich schon einen ziemlichen Kloß im Hals. Als das Hundchen dann auch noch auf mich zukam und vor Freude quiekte, war es mit meiner Beherrschung vorbei. Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Und, wozu auch. Ich freute mich zu Hause zu sein. Aber ich war geschafft. Das viele Kortison, das ich schlucken musste, hat mir schwer zu schaffen gemacht. Ich hatte auch das ganze Wochenende damit zu tun, konnte nicht schlafen und wälzte mich nur im Bett herum. Für Ulrike tat es mir leid. Sie sagte zwar, dass es sie doch auch belastet, wenn ich im Krankenhaus bin, aber sie hätte so wenigstens nicht gesehen, wie ich mich quäle. Seltsamerweise tauchte erst als ich zu Hause war ein Gedanke aus meinem Unterbewusstsein auf, den ich bisher vielleicht verdrängt hatte: Schaffe ich es überhaupt? Komme ich jemals wieder nach Hause? Überlebe ich die Therapie?
Gerne wäre ich an diesem Wochenende draußen spazieren gegangen. Das Wetter war teilweise leider zu schlecht und auch mir fehlte die Kraft um mehr als 100 Meter zu gehen. Somit blieb ich die meiste Zeit im Wohnzimmer oder Wintergarten und war eigentlich nur froh, wenn es mir wenigstens allmählich besser ging. Ich hatte große Probleme mit meinem Rücken. Ständig Schmerzen durch Verspannung. Ich konnte nicht liegen, nicht sitzen, nicht stehen. Ein Körnerkissen in der Mikrowelle erwärmt brachte Abhilfe. Solange ich das warme Kissen im Rücken hatte, ging es so leidlich.
30.04.02
Ich bin wieder im Krankenhaus. Mein Urlaub ist vorbei. Diesmal habe ich nicht so schwere Probleme gehabt, mich auf den Besuch hier einzustimmen. Es kann ja nur noch besser werden. Klaus, mein Zimmernachbar wollte am Wochenende ebenfalls nach Hause. Er fuhr am Freitag, kam aber aufgrund gesundheitlicher Probleme am Samstag schon wieder zurück. Er freute sich jedenfalls mich wieder zu sehen. Seine Langeweile über das Wochenende sollte somit vorbei sein.
Momentan geht es bei mir nicht großartig mit irgendwelchen Therapien weiter. Ich muss nur regelmäßig Blut abgeben und das so genannte Zelltief abwarten, damit man mich dann zur Stammzellenentnahme aufbauen kann. Das wird wohl leider erst in der nächsten Woche sein. Solange gibt es für mich nichts zu tun.
01.05.02
Habe eine halbwegs leidliche Nacht hinter mir. Konnte teilweise schlafen, musste jedoch wenigstens dreimal aufstehen, um mein Körnerkissen zu erwärmen. Ich weiß jetzt schon nicht mehr, was ich eigentlich hier im Krankenhaus noch anstellen soll. Man kann hier vor Langeweile umkommen. Immer nur lesen ist auch nicht so berauschend. Fernsehen tun wir erstaunlicherweise fast gar nicht. Und schlafen? Tja, das ist ja mein Problem.
Der Fernseher ist an der Wand gegenüber dem Kopfende des Bettes angebracht. Leider so hoch, dass man liegen muss, um dort etwas zu sehen. Das verhindert natürlich ein gemütliches Fernsehen. Weiter kann man den Ton nur per Kopfhörer hören (hat natürlich auch seine Vorteile), der jedoch stört. In dieser Woche sollen die Zimmer mit Internetanschluss ausgestattet werden. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, wird ein an einem Schwenkarm befindlicher LCD-Monitor an der Wand befestigt, den man sich dann ranholen kann. Eine Steckdose für ein Modemkabel scheint nicht vorgesehen zu sein. Somit habe ich mal wieder das Problem, dass ich keine Mails abfragen kann. Aber neugierig bin ich schon, wie sie das technisch auf die Reihe bringen wollen. Ich denke ab Freitag habe ich Gelegenheit genau dieses zu testen.
02.05.02
Endlich, es hat geklappt. Ich habe geschlafen. Mit Unterbrechungen, aber ich habe geschlafen. Fühle mich auch entsprechend wohl. Morgens kam dann Dr.Colberg, um mir meinen Lebenssaft zu nehmen. Die Blutanalysen beginnen, um den richtigen Zeitpunkt der Stammzellenentnahme zu bestimmen. Dr. Colberg gefällt mir sehr gut. Er ist menschlich wirklich gut drauf, hat immer einen Scherz auf Lager und ein offenes Ohr für seine Patienten. Er kommt übrigens aus Reppenstedt. Wir sind also fast Nachbarn (wenn 12 km noch zur Nachbarschaft zählen). Ca. zwei Stunden nach erfolgter Blutentnahme kam er um mir das Ergebnis mitzuteilen. Wir unterhielten uns noch einen Augenblick über die Langeweile im Krankenhaus und er meinte, ich könnte ihm doch eine Auswertung für Blutwerte erstellen. So hätte er möglicherweise einen schnellen Überblick und ich etwas zu tun.
Ich habe mich dran gemacht und die Auswertung erstellt. Morgen werde ich sie ihm zeigen, da er wieder Blut entnehmen will und hinterher mit den Daten auftauchen wird.
Ulrike kommt heute auch noch vorbei. Ich bat sie um Oliven, Schafskäse und gewürfelten Höhlenkäse. Ich muss unbedingt etwas Herzhaftes essen. Das Essen selber ist hier gar nicht so schlecht. Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Aber es ist halt ein Einerlei-Essen. Nicht besonders gewürzt und selbst die gebratene Putenbrust scheint eher gedünstet zu sein. Trotz allem schmeckt es, was mich bei meiner normalen individuellen Essensaufnahme doch verwundert.
03.05.02
Habe wieder eine gute Nacht gehabt. Gut geschlafen. Die Auswirkungen des Kortisons scheinen sich endlich gelegt zu haben. Ulrike brachte gestern das Gewünschte mit. Ich habe mich auch gleich drauf gestürzt. Die Oliven waren als erstes weg. Dann kamen noch einige Erdbeeren mit Vanillesoße. Zum Abendessen gab es dann zwar wieder Brot, aber mit zusätzlichem Schafskäsesalat.
Ich liege fast den ganzen Tag im Bett und lese vor mich hin. Zwischendurch heißt es dann allerdings immer wieder: Ran an das Fahrrad.
Wir haben ein Trainingsrad auf der Station, welches ich mehrmals täglich nutze. Ich muss mich einfach bewegen und meine Muskeln sollen nicht zu sehr abschlaffen. Anfangs ging das ganz gut, mittlerweile schlaucht mich das immer mehr. Meine Blutwerte sind so im Keller, dass bei Belastung nicht mehr genug Sauerstoff transportiert wird und ich entsprechend schnell aus der Puste bin.
Dr. Colberg war gerade hier und nahm mir Blut ab. Ich hatte ihm gestern eine Diskette mit der Blutbildauswertung zukommen lassen und er war sehr zufrieden damit. Er hatte sich die Auswertung so vorgestellt, wie ich sie schließlich erstellte. War also ein voller Erfolg. Er holte sogar noch meine alten Blutwerte, um diese dann einzugeben.
04.05.02
Keine besonderen Vorkommnisse. Allenfalls, ich werde wahrscheinlich schon heute auf eine andere Station ziehen, da die Zimmer meiner jetzigen umgebaut werden. Sie bekommen alle ein Display, das über dem Kopfende des Bettes an einem Schwenkarm hängt, um darüber fern zu sehen. Auch kann man mit diesem Display in das Internet gehen. Soweit die Theorie. Ich habe mir das in einem der schon umgebauten Zimmer angesehen. Das Display ist sehr klein (ca. 12“), die Bedienung jedoch denkbar einfach. Bis auf den Zugriff zum Internet. Es gibt zwar einen entsprechenden Knopf und man kommt auch sofort auf die Siemens-Seite, von da jedoch nicht weiter.
Grund: Es gibt weder Tastatur noch Maus.
Diese muss man sich von zuhause mitbringen, dann klappst auch mit dem Internet. Stellt sich natürlich die Frage: wer weiß das schon und was für eine Maus/Tastatur muss das sein? Dieses wird sicherlich noch für einigen Verdruss sorgen.
Ich freue mich schon auf das Mittagessen. Es gibt Tomatencremesuppe. Alternative zum Hauptessen: Tomatencremesuppe. Vegetarische Alternative: Tomatencremesuppe. Ich denke es wird ein ziemlich hungriger Tag werden, zumal es gestern Spagetti Bolognese gab, was mich auch nicht richtig sättigte.
05.05.02
Ulrike kam gestern noch am Abend vorbei und brachte ein wenig Salat, Oliven, Käse und Erdbeeren mit. Der Abend war gerettet und ich hatte keine hungrige Nacht mehr. Dafür war diese gegen 3.00 Uhr zu ende. Ich bin einfach zu ausgeruht. Den ganzen Tag nichts tun und immer nur im Bett liegen und lesen ist natürlich nicht übermäßig anstrengend. Entsprechend ist die Nacht. Gutes Einschlafen, schnelles Aufwachen.
Ich bin heute umgezogen in ein Einzelzimmer. Das Zimmer ist sehr schön (so man es von einem Krankenhauszimmer sagen kann), hat ein eigenes Bad und Fenster die sich nicht öffnen lassen. Das Zimmer ist Klimatisiert und aus diesem Grunde lassen sich die Fenster nicht öffnen. Weiter hat dieses Zimmer eine Eigenart, die ich nicht erwartet habe. Es ist einsam hier drin. So seltsam sich das auch anhören mag. Wenn ich hier im Zimmer liege und lese ist es irgendwie langweilig. Ich habe auch in dem anderen Zimmer nur so vor mich hingelesen, war dort aber nicht allein und ein Gefühl der Langeweile kam nicht auf. Die menschliche Psyche ist schon ein seltsam Ding.
Ich werde in näherer Zukunft in diesem, oder einem anderen Einzelzimmer drei bis vier Wochen verbringen müssen, ohne dass ich es verlassen darf. Da muss ich mir schon mal Vorab einige Gedanken machen, was ich anstellen soll. Vielleicht werde ich mich intensiv um das Erstellen einer neuen Homepage kümmern, mich in CorelDraw weiter schlau machen, oder was weiß ich. Wichtig ist nur, dass ich mich beschäftige. Wahrscheinlich kaufe ich mir noch ein Trainingsrad, damit ich nicht völlig abschlaffe. Aber das ist noch Zukunftsmusik, wenn auch nicht weit weg.
05.05.02
Wie erwartet war die Nacht wieder gegen 3:30 zu Ende. Ich war wach, wälzte mich eine Zeitlang im Bett herum und wollte mir mein Körnerkissen gerade warm mache, als ich aus dem Fenster schaute und eine Bewegung auf dem Dach eines Zwischengebäudes sah. Ich schaute genauer hin und dachte, dass sich dort eine Katze auf dem Dach herumtreibt. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich die Katze jedoch als Baummarder, der versuchte von dem einen Dach auf ein anderes zu gelangen, welches etwa einen Meter höher lag. Da das höhere Dach ebenfalls zu diesem Gebäude gehört, versuchte er an der Wand empor zu klettern. Das gelang nur teilweise, da die Wand mit Kacheln gefliest ist. Der Marder hing an der Wand, konnte letztendlich jedoch nicht vollständig höher kommen, da es dort auch noch einen kleinen Vorsprung gab. Es war schon faszinierend zu beobachten, wie ein Marder versucht eine gekachelte Wand empor zu klettern. Er versuchte es an mehreren Stellen, kam jedoch nicht über den Vorsprung hinaus. Dann gab er auf, wanderte noch über das untere Dach und war dann plötzlich verschwunden. Ich kann selbst jetzt im Hellen nicht erkennen, wo er geblieben sein mag. In der Nacht tauchte er jedoch urplötzlich auf dem höheren Dach wieder auf. Er musste noch einen anderen Weg kennen.
Die mir evtl. angekündigten Schmerzen in der Knochenstruktur, speziell in der Wirbelsäule treten jetzt allmählich zu Tage. Ich habe Schwierigkeiten beim Sitzen und Liegen. Ich werde den Tag bis zur Spätschicht abwarten und mir dann ein Medikament gegen die Schmerzen geben lassen, damit ich wenigstens in der Nacht davon befreit bin. Auch scheint es mit meinem Haarausfall zu beginnen. Wenn ich an meinem Bart zupfe, habe ich ihn auch gleich in der Hand. Es kommt also eine kühlere Zeit auf mich zu.
07.05.04
Die kühlere Zeit ist schnell erreicht. Es dauerte gerade eben den gestrigen Tag und der Bart war weg. Ich hatte nur noch einzelne Barthaare, die ich mir heute Morgen abrasierte. Die Haut fühlt sich seltsam an und auch das Gefühl auf der Oberlippe ist ungewohnt, hatte ich doch jahrelang keinen direkten Hautkontakt. Natürlich ist auch der Anblick ungewohnt, aber sicher nur für kurze Zeit.
Die Rückenschmerzen wurden im Laufe des Tages so schlimm, so dass ich mir schmerzstillende Medikamente geben ließ. Es war mir nicht möglich zu sitzen oder aufgerichtet im Bett zu liegen. Ich konnte nur auf der Seite liegen. Erstaunlicherweise habe ich in der Nacht gut geschlafen. Vielleicht wird man von diesen Schmerzmitteln zusätzlich in einen Dämmerzustand versetzt.
Wenn ich Glück habe, kann ich morgen ins UK-Eppendorf, um mir Stammzellen entnehmen zu lassen. Entsprechend könnte ich dann am Freitag nach Hause. Ich hoffe meine Blutwerte sind entsprechend.
08.05.02
Ich hatte Glück. Heute durfte ich zur Stammzellenentnahme nach Eppendorf. Ich erfuhr gestern am späten Nachmittag davon. Meine Blutwerte waren hoch genug, um entsprechend Stammzellen entnehmen zu können. Morgens um 7:15 sollte es losgehen.
Ich wurde rechtzeitig geweckt, begann meine Morgentoilette, frühstückte und schaute wartend auf das Taxi aus dem Fenster. Bis 7:20 war noch kein Taxi da. Plötzlich klopft es und eine Schwester kommt herein mit dem Hinweis: das Taxi ist da.
Ich weiß nicht was mit den Hamburger Taxifahrern los ist. Das war bisher das 3. Mal, das ich überhaupt mit einem Hamburger Taxi fuhr. Und jedes Mal bekam ich einen kompletten Volltrottel zu fassen. Dieser konnte angeblich nicht vor das Haus fahren, weil da ein LKW stand. Seltsam, Privatwagen und Rettungswagen hatten keine Probleme. Gut, die haben wahrscheinlich auch die parallel führende Spur benutzt. Muss man erst mal drauf kommen. Wir gingen also durch den langen Flur in ein weiteres Gebäude, von dort sollte es dann über einen Außengang in ein anderes Gebäude gehen. Wir gingen also durch und siehe da, beim Versuch die Tür auf der anderen Seite zu öffnen, ging diese nicht auf. Wir standen übrigens draußen in einem Übergang und konnten auch nicht mehr zurück, da auch diese Tür verschlossen war. Auf die Frage, wo er denn hergekommen sei, meinte er, dass dies doch eigentlich der Weg gewesen sein müsste. So standen wir also abgeschnitten zwischen zwei Gebäuden im Freien. Ich schaute mir die Tür noch mal an, durch die wir wollten, drehte den unterm Türgriff angebrachten Schlüssel und schon konnten wir weitergehen. Wahrscheinlich schließt der gute Mann immer die Türen hinter sich ab. Schließlich kamen wir am Wagen an und da kam die Frage, ob ich wüsste wo das wäre. Ich sagte nein, habe aber einen Plan dabei, an dem er sich orientieren könnte. Ich hatte natürlich keinen Plan für die Strecke nach Eppendorf. Die Fahrt war abenteuerlich. Wo wir überall entlang fuhren. Ich habe eine Menge gesehen von Hamburg. Aber wir kamen an.
In Eppendorf ging ich also in das Gebäude, in dem die Stammzellen entnommen wurden. Ich wurde freundlich begrüßt, eine Frau stellte sich vor (Namen habe ich vergessen) und nahm meine Unterlagen entgegen. Sie warf einen kurzen Blick hinein kam zu mir und sagte: Das wird heute sowieso nichts werden. Sie werden auch morgen noch mal kommen müssen, soviel kriegen wir nie zusammen.
Das baute mich natürlich gleich richtig auf. Sie zeigte mir das Bett, auf dem ich es mir bequem machen könnte und würde gleich kommen. Ich machte es mir also bequem. Da ich wusste, die ganze Prozedur würde etwa 4 Stunden dauern, hatte ich mir ein Buch mitgebracht. Ich bat diese Frau Besser (ich nenne sie jetzt mal so) mir wenigstens an einem Arm die Braunühle nicht in die Armbeuge zu stecken, da ich lesen wollte. Es war noch jemand dabei, der in Ausbildung war. An diesen wandte sie sich dann und sagte: Wir haben hier also schon gleich mal einen Fall von Sonderwünschen. Mal sehen ob wir das machen.
Sie schaute also meine Venen an, gab diverse negative Bemerkungen über die Venenqualität von sich und sagte dann: Gut, an diesem Arm könnte es gehen.
Sie legte mir die Braunühle und sagte zu ihrem Kollegen, er solle den anderen Arm machen, aber aufpassen und nicht wieder durch die Vene durchstechen. Ich weiß nicht, was Frau Besser sich bei diesen Bemerkungen gedacht hat, wahrscheinlich nichts. Das könnte jedenfalls passen.
Schon beim Desinfizieren gab es Probleme. Er sprühte die Stelle ein, in die er stechen wollte, wischte den Alkohol wieder ab und anschließend mit den Fingern ebenfalls wieder drüber. Nach einem Hinweis, dass damit die Desinfektion wieder hinfällig wäre, desinfizierte er wieder, mit dem gleichen Ablauf. Also, noch ein drittes Mal. Diesmal klappte es. Rein optisch machte er allerdings immer noch nicht den Eindruck, als hätte er begriffen um was es da ging.
Anschließend wurde mir über die Braunühle Blut abgenommen und ins Labor gebracht.
Kurz darauf kam eine Schwester mit meinen neuesten Blutwerten vorbei und programmierte entsprechend das Gerät, welches die Stammzellen entnehmen sollte.
Das war nun gar nicht im Sinne von Frau Besser. Sie wollte wissen, was sie eingestellt hätte. Die Antwort lautete: Die Einstellungen, die laut Blutbild und gefordertem Ergebnis erforderlich sind. Der Automat macht dann den Rest.
Völlig falsche Antwort. Woher soll der Automat wissen, was er machen soll. Sie würde sich nie auf eine Automatik verlassen, sondern alles von Hand einstellen.
Bloß wie? Denn sie wusste es nicht. Frau Besser musste sich doch tatsächlich von der Schwester, und als diese irgendwann auch nicht mehr weiterkam, auch noch von einer anderen zeigen lassen, was man dort alles einstellen kann und tat dieses dann manuell. Letztendlich hatte sie glücklicherweise die Werte händisch eingetragen, die der Automat schon in der Anzeige vorgegeben hatte. Aber, sie hatte es eingetragen und nicht irgendeine Maschine.
Sie hatte noch eine ganze Menge an allen und allem auszusetzen und ich hatte den Eindruck, dass sie die neue Chefin auf dieser Station wäre. Allerdings eine Chefin mit wahren Führungsstärken, die die Erfahrungen ihrer Untergebenen nicht achtete. Ihrem Reden nach zu urteilen war sie Anästhesistin. Das passte mit ihren klugen Bemerkungen überein, die sie am Patienten machte. Normalerweise hören ihre nichts mehr.
Als ich nach den vier Stunden endlich von den Geräten genommen wurde, kam wieder der Hinweis, dass wir uns Morgen wohl wieder sehen würden, da die Farbe meines Präparates einfach zu wässrig sei, da könne nicht genug drin sein. Den Hinweis der Schwester, dass nicht die Farbe, sondern die Anzahl der Stammzellen wichtig wäre, wischte sie einfach beiseite und bestellte mir ein Taxi.
Das kam und wie es sich für einen Hamburger Taxifahrer gehört, nicht auf dem normalen Wege. Er hatte sich beim Pförtner nach dem Weg erkundigt sagte er später und dieser hätte ihm gesagt, er müsse so fahren. Der Taxifahrer kam nämlich die falsche Richtung die Einbahnstraße reingefahren, blockte einen Krankenwagen ab und lud mich in seinen Wagen. Als ich ihn fragte, warum er denn nicht eine Straße weiter und dann im U gefahren wäre: siehe zwei Sätze vorher. Er fing dann noch an von dem vielen Verkehr zu erzählen und das alle so rücksichtslos fahren, aber ich hatte kein Interesse an einer Unterhaltung und sagte ich wäre müde.
Wir kamen in St. Georg an und das Warten auf das Ergebnis aus Eppendorf begann. Da ich es nicht mehr auf meinem Zimmer aushalten konnte, ging ich an die Alster und dort bei strahlendem Sonnenschein spazieren. Das baute mich wieder auf.
Als ich nach etwa 1 ½ Stunden zurückkam, war auch das Ergebnis da: Es hatte gereicht. Ich kann endlich wieder nach Hause.
Morgen gegen 11:00 Uhr werde ich endlich das Krankenhaus (wenn auch nur vorübergehend) verlassen können. Aber die Zeit, die ich zu Hause verbringen kann, werde ich genießen. Man weiß erst was man hat, wenn man es nicht mehr hat.
12.09.02
Habe lange nicht mehr an meinem Tagebuch geschrieben. Dabei gibt es eine ganze Menge zu berichten. Ich durfte also wie gesagt nach Hause. Um jetzt zu sehen, ob ich meinen Krebs möglichst weit los bin, damit die Hochdosis Therapie beginnen kann, ging ich nach 14 Tagen zu meinem behandelnden Arzt, um eine Knochenmarkprobe entnehmen zu lassen. Noch während der Entnahme merkte ich, dass etwas schiefging. Ich konnte nicht sagen was, aber mein Gefühl sagte mir, das geht in die Hose. Drei Tage später hatte ich dann die Bestätigung. Die Lymphknoten begannen wieder zu schwellen. Der Krebs breitete sich wieder aus. Ich fuhr voller Panik ins Krankenhaus St.Georg, wo man mich jedoch beruhigte und sagte: warten wir das Ergebnis der Biopsie ab. Die war sehr positiv verlaufen. Ich hatte nur noch einen Befall von ca. 1% des Knochenmarks. Mit diesem Ergebnis fuhr ich wieder nach St.Georg und wir besprachen das weitere Vorgehen meiner Behandlung. Ich sollte jetzt eine andere Chemotherapie bekommen. Diesmal mit Antikörpern. Kurz darauf begann ich mit der Therapie. Das erste Verabreichen der Antikörper war eine wahre Quälerei. Das Medikament musste sehr langsam Intravenös verabreicht werden, was man auch machte. Trotzdem bekam ich Schüttelfrost, so dass der Durchfluss in die Vene noch langsamer gestellt werden musste. Leider half das alles nichts. Mein Knochenmark fing an zu schmerzen. Es schmerzte derart, dass ich schmerzstillende Medikamente bekam. Da selbst das nicht richtig half, brachen wir die Behandlung für den Tag ab. Am nächsten Tag sollte es weitergehen. Ich also mit gemischten Gefühlen wieder hin. Jetzt lief es glücklicherweise gut. Wie ich erfuhr, kann es bei der ersten Verabreichung der Antikörper zu Problemen kommen, die beim nächsten Mal nicht wieder auftreten sollten. Der Körper muss sich erst einmal dran gewöhnen. Hat also bei mir geklappt.
Heute, nach drei voll verabreichten Zyklen (einmal Antikörper und dann drei Tage Chemo) kann ich sagen, dass dieses Mittel voll anschlägt. Ich habe keine spürbaren Knoten mehr im Hals, keine in der Achsel und keine in der Leiste. Es sieht sehr gut aus. Ich sitze gerade in der Praxis und bekomme meine Chemo verabreicht. Es ist die Letzte ambulante. Danach folgen nur noch einige Untersuchungen (mit Sicherheit ist keine Knochenmark-Biopsie dabei) und dann im November die Hochdosis. Ich bin mittlerweile körperlich wieder so fitt, dass ich mit meinen Inlinern durch die Gegend laufen kann. Das lässt mich zuversichtlich in die Zukunft schauen. Bei der Verabreichung der Chop-Therapie war mir dieses noch nicht möglich.
Also, packen wir’s an.
27.09.02
Ich war in der Zwischenzeit zu einem Gespräch über das weitere Vorgehen in St.Georg gewesen. Da ich vor meiner geplanten Hochdosis noch Urlaub machen wollte, sollte ich noch einen vierten Zyklus der normalen Chemo bekommen, damit die Zeit bis zur Hochdosis nicht zu lang ist. Also, wieder zu Dr.Goldmann und die nächsten Chemos verabreicht. In der Zwischenzeit sind meine Venen bzw. die Haut so empfindlich und gestrafft worden durch die vielen Einstiche, dass es jetzt ziemlich schmerzt, wenn ich eine Braunüle gelegt bekomme.
Am Freitag, den 13.09.02 sollte ich meine endgültig letzte Chemo bekommen. Der Ablauf war immer wie folgt:
- Kochsalzlösung in die Vene
- Chemo hinterher
- vor dem nächsten Beutel mit einem anderen Medikament, erstmal eine Spritze
- nach dem Beutel wieder eine Spritze
- noch einmal Kochsalzlösung.
An diesem Tag kam es dann anders. Der Arzt kam nach dem ersten Chemo-Beutel und wollte dann gleich die Kochsalzlösung laufen lassen. Auf meinen Einwand, dass jetzt erstmal eine Spritze fällig ist, sagte er: heute ist das anders, aber er ist mit St.Georg in Verbindung und ich brauche möglicherweise keine weiteren Chemikalien mehr.
Das gefiel mir natürlich. Kurz darauf kam er zurück und meinte: ich brauche tatsächlich keine weiteren Chemos mehr, aber ich sollte gleich noch mal in sein Büro kommen.
Dort erfuhr ich, dass ich versehentlich die falsche Chemo bekommen habe. Diese war eigentlich für einen anderen Patienten gedacht. Man hatte sie verwechselt. Da es sich jedoch um ein Ersatzmedikament handelt, dass ich bekommen hätte, würde mein „normales“ nicht anschlagen, war es nicht weiter schlimm. Es klang ja auch gut und ich hatte keine Probleme bei der Verabreichung.
In der folgenden Woche hatte ich Durchfall, der sich jedoch schon länger angekündigt hatte. Entsprechend schlapp fühlte ich mich. In der nächsten Woche wollten wir Urlaub in Dänemark machen und fuhren am Samstag auch los. Am Samstag und Sonntag ging ich mit an den Strand und musste jedoch schon nach kurzer Zeit wieder umkehren, da ich einfach zu schlapp war. Das wurde in der Woche immer schlimmer. Ich ging gar nicht mehr aus dem Haus, sondern lag nur auf dem Sofa oder im Bett. Ich war nicht in der Lage irgendetwas zu tun. Selbst das Essen strengte mich so an, dass ich nur kleinste Portionen zu mir nehmen konnte.
Am Donnerstag brachen wir den Urlaub ab und fuhren wieder nach Hause. Noch am gleichen Tag ging ich in die Praxis und ließ mein Blut untersuchen. Wie ich es mir schon dachte, waren die Werte so schlecht, dass ich tags darauf gleich zwei Bluttransfusionen bekam. Danach ging es langsam wieder bergauf. Heute, am 11.10. bin ich wieder absolut fit und könnte wieder Bäume ausreißen. Ich habe auch schon einige Untersuchungen hinter mir, die vor der Hochdosis gemacht werden und nach denen bin ich kerngesund (wenn man mal vom Krebs absieht). Schauen wir mal, wie sich die Hochdosis auswirkt. Das soll ab dem 22.11. beginnen
15.11.02
Heute rief der Oberarzt des Krankenhauses St.Georg an. Man hatte versäumt mir mitzuteilen, dass ich heute zwecks weiterer Untersuchungen in der Uni-Klinik Eppendorf hätte erscheinen sollen. Jetzt soll ich mich dort am 18.11. melden. Hier sollen dann Untersuchungen für die Bestrahlung vorgenommen werden.
18.11.02
Bin in der Uni-Klinik und komme pünktlich nach Termin dran. Ich sollte um 12:15 erscheinen und die Untersuchungen begannen um 12:15. So was habe ich bis heute nicht erlebt (zumindest nicht bei den Ärzten bei denen ich bislang in Behandlung war). Ich wurde geröntgt, man machte ein CT und vermaß meinen Körper. Soweit ging alles gut. Im Anschluss an die Untersuchungen hatte ich noch ein Aufklärungsgespräch mit einem Arzt, der mir erzählte, was die Bestrahlung an Nebenwirkungen haben kann. Ein sehr aufbauendes Gespräch. Danach habe ich wirklich überlegt, ob es nicht humaner ist, mich gleich zu erschießen. Das ging mir kräftig auf die Psyche, aber, es muss ja nicht alles eintreten, was eintreten kann.
22.11.02
Bin heute nach St.Georg gefahren und habe mich im Krankenhaus stationär aufnehmen lassen. Es sind glücklicherweise noch einige bekannte Ärzte auf der Station und ich fühlte mich gleich wieder so wohl, wie man sich in einem Krankenhaus halt fühlen kann. Die Schwester, die mir mein Zimmer zeigte erzählte mir noch, dass die anderen Patienten, die die Hochdosis Therapie mit der Bestrahlung bekamen, diese alle gut vertragen haben und ich solle mir da keine großen Sorgen machen.
Tja, nun sitze ich hier im Zimmer und harre der Dinge, die da kommen mögen, langweile mich und weiß mit meiner Zeit nichts anzufangen. Mein Gott, ist das langweilig.
24.11.02
Mittlerweile haben wir schon Sonntag und ich habe mich wieder an das Krankenhausdasein gewöhnt. Es gibt hier zwar immer noch keine spritzigen Ereignisse oder hochinteressante Tagesabläufe, aber mir geht es gut und ich lebe in den Tag hinein. Wie schon bei meinem vorherigen Krankenhausaufenthalt sind die größten Abwechslungen, wenn die Essensausgabe erfolgt. So sitze ich hier und übe mich noch ein wenig im Gebrauch von CorelDraw und konfiguriere mein Notebook bzw. die Software nach meinen Wünschen.
25.11.02
Heute war ich im Krankenhaus Eppendorf, wo man mich für die morgen beginnende Bestrahlung vorbereitete. Dafür wurde ich unter ein Röntgengerät gelegt, penibel ausgerichtet und bekam eine wunderbare Malerei auf Kopf und Rücken. Damit die Zeichnung auch nicht gleich wieder verschwindet, wurden die Linien alle mit Pflaster (hautfreundlich) abgeklebt. Ich freue mich schon auf das Entfernen derselben.
26.11.02
Es ist soweit. Ich bekomme meine erste Bestrahlung. Anfangs hatte ich große Angst davor, doch die habe ich mittlerweile abgebaut. Ich durfte mich also bis auf die Unterhose entkleiden, man bewunderte meine Körperbemalung und rauf ging es auf die Liege. Es heißt, man bemerkt von der Bestrahlung überhaupt nichts. Dem ist nicht ganz so. Als die Bestrahlung begann, hatte ich das Gefühl es kommt eine riesige Brandung von der Seite auf mich zu, prallt irgendwie warm gegen mich und dringt ganz langsam ein. Einige Härchen richteten sich auf und ich bemerkte einen ozonartigen Geruch. Allerdings war das auch schon alles, was ich spürte.
Diese erste Bestrahlung ist also ganz gut verlaufen (wen wundert’s, es war ja auch die erste; spannender wird es bei der sechsten). Heute Nachmittag darf ich wieder hin. Ich bekomme zweimal täglich die Bestrahlung. ich denke, dass sich in dieser Zeit sicherlich irgendetwas bemerkbar machen wird.
Heute scheint mein Glückstag zu sein. Ich sollte eine Infusion bekommen, doch meine Braunühle machte schlapp. Sie war dicht. Meine Ärztin versuchte noch den Zugang per Spülung wieder frei zu bekommen, doch es klappte nicht. Also legte man mir einen Zentralen Venen Katheder in die Halsvene. Ich hätte ihn am Freitag sowieso bekommen, jetzt also etwas früher. Das ist schon eine unangenehme Prozedur die man mitzumachen hat. Zuerst die Spritze für die Betäubung (es sollte eine Betäubung für die Betäubungsspritze geben), dann ein Draht in die Vene bis kurz vor das Herz, nun noch schnell den eigentlichen Schlauch hinein und dabei den Draht als Führung nutzen und zu Schluss den Draht wieder heraus. Klingt eigentlich gar nicht schlimm, hat aber einige unangenehme Momente zwischendurch. Sei’s drum, damit bin ich durch. Jetzt kommt nur noch meine zweite Bestrahlung für den heutigen Tag und dann ist Feierabend.
27.11.02
Die Bestrahlung zeigt schon Wirkung, d.h. sie zeigte gestern schon Wirkung. Meine Mundschleimhäute sind wie ausgetrocknet und das Sprechen fällt deshalb ein wenig schwer. Die Zunge klebt ständig irgendwo fest und ich habe alle Augenblick eine Flasche Selters am Mund um diesen auszuspülen. Auch bekam ich Schwellungen am hinteren Unterkiefer, die bei Berührung schmerzen. im Laufe der Nacht gingen diese wieder etwas zurück, so dass meine Wangen nicht mehr so spannen.
Heute bekam ich meine dritte Bestrahlung und warte noch die Folgen ab. Ich vermute aber, dass sie mir langsam die Haare kosten wird.
28.11.02
Allmählich macht sich die Bestrahlung bemerkbar. Ich war heute Morgen merklich kraftloser, als ich von der Bestrahlung kam. Es geht mir zwar immer noch sehr gut, aber es beginnt. Es wäre auch verwunderlich, wenn ich diese Tortur völlig ohne Wirkungen erleben würde. Sinn des Ganzen ist es schließlich mein Blut zu zerstören. Das kann nicht spurlos geschehen. Auch friere ich leicht. Glücklicherweise habe ich bislang keine weiteren Nebenwirkungen, von denen die Ärzte mir erzählten. Ich hoffe, dass es so bleibt.
01.12.02
Leider ist es nicht so geblieben. Ich bekam am Freitag und Samstag Chemotherapie und diese bewirkte Brechreiz und Durchfall. Der Brechreiz ist glücklicherweise vorbei, der Durchfall noch nicht. Das wird wohl noch einige Zeit dauern. Meine Mundschleimhäute jedoch scheinen sich ganz gemächlich zu beruhigen. Mein Mund ist nicht mehr so extrem trocken. Unangenehm ist der Durchfall, der sich erst dann bemerkbar macht, wenn es schon beinahe zu spät ist. Das Zeugs ist dünn wie Wasser und hat mich schon zwei Schlafanzughosen gekostet.
Ich habe heute das erste mal nach zwei Tagen wieder gefrühstückt. Durch den ständigen Brechreiz blieb nicht von dem was ich aß oder trank drin. Ich musste mich auch heute zusammenreißen, aber das Brötchen blieb im Magen. Scheint langsam wieder aufwärts zu gehen.
02.12.02
Die vergangene Nacht war nicht so überragend. Zum einen konnte ich nicht so recht schlafen und zum anderen war mir immer wieder schwindelig. Glücklicherweise ist mein Durchfall vorbei. Heute Morgen bekam ich eine Infusion mit einem Mittel gegen Übelkeit. Kaum liefen die ersten Tropfen, musste ich mich prompt übergeben. Ich glaube, dass mein Brechreiz und das ständige leichte Unwohlsein von diesem Mittel kommt. Es wird das Beste sein, dieses abzusetzen.
Heute soll ich meine Stammzellen zurückbekommen. Ich bin mal gespannt, wie sich dieses bemerkbar macht. Soweit ich weiß, sind sie noch ziemlich kalt, wenn ich sie per Infusion zurückerhalte. Zumindest das werde ich spüren. Leider ist mein Mund noch immer sehr schleimig. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie es ist keine Spucke zu haben, bis dieses eintritt. Das ist eine unangenehme Erfahrung, die ich hier mitmachen muss, aber sicherlich eine der harmlosesten.
03.12.2002
Ich habe meine Stammzellen zurückbekommen. Das war alles andere als aufregend. Ich bekam sie in Form einer Infusion zurück. Es waren 100ml Stammzellenflüssigkeit im Beutel und es dauerte ca. 20 Minuten, da waren sie dort raus und in meinem Körper drin. Irgendwelche Auswirkungen konnte ich nicht verspüren und selbst jetzt (es ist 19.30) spüre ich keinerlei Aktivität. Einzig, ich bin allmählich wieder etwas frischer und bekomme wieder Appetit.
Heute Morgen versuchte ich ins Internet zu gehen, um meine Mails abzufragen. Ich also den Knopf gedrückt (ich habe im Zimmer einen LCD-Monitor zum Fernsehen und um damit ins Internet zu gehen) und die Meldung: Starte das Internet, bitte warten; abgewartet. Nur mit dem Abwarten ist es so eine Sache. Nach einer Stunde rief ich die Haustechnik an, weil sich immer noch nichts tat (bis auf die Meldung: Starte das Internet). Dort meldet sich nur ein Anrufbeantworter, dem ich meinen Kummer erzählen durfte. Gegen Mittag (Startzeit war etwa 9.00) hat sich immer noch nichts getan. Ich also noch mal mit dem Anrufbeantworter gesprochen. Desgleichen noch einmal gegen 15.30, jedoch wieder umsonst. Wir haben jetzt 19.30 und er versucht immer noch das Internet zu starten. Da sich dieser Vorgang nicht abbrechen lässt, werde ich also heute Abend lesen statt fern zu sehen. Versuchen wir es morgen noch einmal. Vielleicht hat der Anrufbeantworter dann mehr Verständnis für mein Problem.
In der Nacht fiel der Strom auf dem Krankenhausgelände aus. Ich war gerade zufällig wach und bekam es so mit. Es dauerte ca. 15 sek., dann lief er wieder. Dieser Stromausfall hatte zur folge, dass natürlich auch der Proxyserver für das Internet abstürzte. Plötzlich ging mein Monitor über dem Bett an und ich konnte die Startprozedur des Servers live miterleben. Lief alles problemlos hoch und der Zugang zum Internet funktioniert wieder.
08.12.2002
Habe lange nichts mehr geschrieben. Mir fehlte auch die Lust dazu. Meine Mundbeschwerden haben sich verstärkt. Ich kann mittlerweile nicht mehr essen und bekomme meine Nahrung ebenfalls per Infusion. Ich hoffe aber, dass sich das bald wieder gibt. Gestern bekam ich meine erste Aufbauspritze, die die Stammzellen vermehrt anregen soll mein Knochenmark wieder aufzubauen. Wenn ich an die Zeit meiner Stammzellenentnahme zurückdenke, tritt die Wirkung ziemlich schnell ein. Damals war es jedenfalls so, wenn auch mit Schmerzen verbunden. Ich bin jedoch gerne bereit die Schmerzen zu ertragen, signalisieren sie doch Besserung.
09.12.2002
Heute hat meine Frau Geburtstag. Sie wird fünfzig und ich bin an diesem Ehrentag nicht bei ihr. Das schmerzt. Hoffentlich hat sie trotzdem Spaß mit ihrem Besuch und feiert kräftig, ich gönne es ihr von Herzen.
Bei mir ist bislang noch keine gravierende Änderung eingetreten. Alles beim Alten. Kann nicht essen, nicht trinken, habe meine Schluckbeschwerden und hoffe weiterhin, dass es sich endlich bessert.
12.12.2002
Ich habe es geschafft, die Stammzellen arbeiten! Meine Blutwerte bessern sich stündlich. Ich werde dieses Krankenhaus wieder verlassen. Klingt vielleicht komisch, aber der Gedanke hier nicht wieder herauszukommen steckte mir schon in den Knochen. Hätten die Stammzellen nicht wie gewünscht mit der Regeneration des Knochenmarkes begonnen, wäre ich erledigt gewesen. Da das bei eigenen Stammzellen wohl nur extrem selten vorkommt, wäre das sicherlich ungewöhnlich gewesen. Aber auch ich bin extrem selten; mich gibt es nur einmal. Kann man doch Parallelen ziehen oder?
Meine Probleme mit dem Mund werden auch ständig geringer. Ich kann zwar immer noch nichts Festes essen, die Entzündungen gehen jedenfalls spürbar zurück. Alles in allem, ich bin auf dem Wege der Heilung. Noch ein paar Tage und ich kann das Krankenhaus verlassen.
Ulrike will heute noch vorbeischauen und mir „Hochzeitssuppe“ mitbringen, damit ich endlich wieder anderes essen kann, als Joghurt, von dem ich mich schon einige Tage ernähre. Wenn die Suppe für mich essbar ist, dann kann auch endlich die künstliche Ernährung eingestellt werden und ich werde meinen zentralen Venen Katheder wieder los.
14:30.
Gerade kam meine Ärztin zu mir, um mir freudestrahlend mitzuteilen, dass ich endlich mein Zimmer verlassen kann. Ich darf sogar ohne Maske den Raum verlassen, so gut sind meine Werte. Ich hätte in Tränen ausbrechen können, so glücklich war ich. Die weiteren Räumlichkeiten des Krankenhauses, die ich nun betreten darf sind zwar auch nicht gerade erbauend, aber meine Einzelhaft ist vorbei. Endlich.
Habe mir auch gleich einen Kaffee und einige Kekse geholt. Mit den Keksen gibt es zwar immer noch Probleme, meine Zunge ist noch zu rau oder angegriffen von der Unterseite, aber ich habe sie gegessen. Ich vermute dass ich morgen den ZVK loswerde und mich dann wesentlich freier bewegen kann.
Nach fast drei Wochen im Einzelzimmer ist es erstaunlich, wie schnell ich doch aus der Puste bin. Wenn man sich solange nicht bewegt (die meiste Zeit lag ich im Bett) schlaucht schon ein kleiner Spaziergang durch die Gänge der Station. Werde mich wohl auf das Trainingsrad stürzen, das ich im Zimmer stehen habe.
13.12.2002
Heute ist Freitag, der 13te. Ich hoffe das ist kein schlechtes Omen. Beim letzten Freitag den 13ten bekam ich die falsche Chemo-Therapie. Da ich hier eigentlich nichts mehr bekommen sollte (zumindest wird es immer weniger), kann eigentlich nichts passieren.
Mir geht es immer besser. Die Schluckbeschwerden sind weg. Die Suppe, die Ulrike mir gestern mitbrachte ist mir ebenfalls gut bekommen. Ich hatte zwar etwas Schwierigkeiten beim Schlucken der Klöße, aber ich habe alles gegessen. Heute Morgen dann einen Pudding (ebenfalls von zu Hause) und keine Schluckschmerzen. Ein wahres Wohlgefühl.
Freitag der 13te muss wohl nicht immer ein schlechter Tag sein. Meine Blutwerte sind so gut, dass ich schon morgen nach Hause darf. Ich muss zwar am Montag für eine Blutkontrolle hier noch einmal erscheinen, nicht aber über das Wochenende bleiben. Mir liefen die Tränen aus den Augen, als ich es erfuhr, so hatte ich mich gefreut. Meine Ärztin, die mir die frohe Kunde überbrachte, sagte noch, dass ich es sehr gut gemacht hätte. Sie brauchte sich bei mir nicht anzustrengen, alles lief bestens. Ich kann das natürlich nicht beurteilen, da ich niemanden zum Vergleichen habe. Da auch die Schwestern dieser Meinung sind, muss es wohl stimmen.
Es scheint sich alles zum Guten zu wenden.
04.01.03
Ich bin jetzt seit einigen Tagen zu Hause und spüre, wie es sukzessiv immer besser wird. Ich fühlte mich stark und unbezwingbar, als ich aus dem Krankenhaus kam. Dem war aber leider nicht so. Spaziergänge lagen nicht drin und ich war auch ziemlich schnell aus der Puste. Weiter hatte ich ein überaus nerviges Kopfjucken, das einfach nicht weggehen wollte. Zudem ließ auch mein Geschmack im Mund zu wünschen übrig. Alles in allem war es anfangs doch eine ziemliche Quälerei.
Heute, am 4.1. kann ich sagen: endlich ist das Kopfjucken vorbei, der Geschmack im Mund bessert sich und ich werde von Tag zu Tag kräftiger. Bäume kann ich wohl auch in der nächsten Zeit nicht ausreißen (sehe auch den Sinn nicht darin), aber längere Spaziergänge (1 Stunde oder mehr) sind mittlerweile locker drin. Auch bin ich kurzfristig nach Bad Nauheim gefahren, um mir die Kurklinik anzuschauen, in der ich meine Reha verbringen werde. Hin und zurück (mit einem kurzen Abstecher in den Harz) waren es ziemlich genau 1030 km, die ich an den Tag zurücklegte. Ich hätte trotzdem noch gemütlich weiter spazieren fahren können.
17.01.03
Wie man unschwer am Datum erkennen kann, ist wieder Zeit einige Zeit ins Land gezogen. Ich werde immer kräftiger, mit kurzfristigen schwächeren Momenten. Durch die vielen Chemo-Therapien, die ich genießen durfte, hat sich mein rechter Speichelkanal geschlossen. Wahrscheinlich hat sich dort so etwas wie ein Stein gebildet, der den Kanal versperrt. Ich habe zeitweise leichte Schwellungen rechts unter meinem Unterkiefer. Da mir von meiner Krebserkrankung her diese Schwellung bekannt war, machte ich mir natürlich meine Gedanken. Für mich lag nahe: verdammt, der Krebs ist nicht besiegt.
Gott sei dank ist dem nicht so. Es ist, wie gesagt, nur ein verstopfter Speichelkanal. Ich kann also nur linksseitig Spucken. Nachts habe ich einen extrem trockenen Mund, bei dem Trinken auch nicht viel hilft (tagsüber allerdings auch nicht). Vielleicht gewöhne ich mich daran und es bereitet keine weiteren Probleme. Wenn nicht, lässt sich das nur operativ beheben, was natürlich überhaupt nicht eilt. Krankenhäuser sind vorerst für mich tabu.
28.07.03
Habe lange nichts mehr in mein Tagebuch geschrieben. Es gab in der Zwischenzeit immer mal wieder kleinere Probleme, die sich jedoch immer als harmlos herausstellten. Es sieht so aus, als ob ich es geschafft habe. Einzig, die psychische Belastung ist immer noch da. Bei jeder Kleinigkeit ist der Gedanke im Hintergrund: es könnte was sein. Ich glaube, dass das auch noch eine ganze Weile so weitergehen wird. Meine Blutwerte waren bei den letzten Tests jedenfalls OK (wenn man mal von den Leukozyten absieht. Dieser Wert geht ständig auf und ab. Seltsamerweise habe ich aber keine Probleme mit Erkältungen und Ähnlichem. Nach diesem Wert dürfte ich nicht einmal meiner Frau guten Tag sagen, ohne Gefahr zu laufen, eine Grippe zu kriegen. Da ich schon seit meiner Kindheit keine Probleme mit Erkältungen, Schnupfen und Husten habe, ist meine Abwehrkraft gegen diese Viren wohl historisch bedingt.
24.02.2005
Lange habe ich nichts mehr geschrieben, aber jetzt ist es fällig: der momentane Stand, oder vielleicht sogar der Schlusspunkt.
Im Moment fühle ich mich ok und bin der Meinung es jetzt endlich geschafft zu haben.
Wie das wohl bei mir so üblich ist, geht nichts so wie es soll. Nach den ganzen Therapien blieb leider immer noch ein Knoten in der linken Leiste zurück, den ich mir im April 2004 habe entfernen lassen. Es sah so aus, als sei es endlich der letzte gewesen. Die OP verlief gut und wurde ambulant durchgeführt. Der Knoten war weg und alles war gut. Aber, irgendwie hatte ich immer noch nicht das Gefühl: das war’s. Und es war leider auch nicht so. Mein linkes Bein schwoll einige Tage nach der OP an, weil sich die Lymphflüssigkeit staute. Hier gab es dann zur Abhilfe einen Gummistrumpf und Lymphdrainagen. Der Gummistrumpf half glücklicherweise und ich trage ihn heute nur noch zeitweise, wenn ich schon im Voraus weiß, dass der Tag im Büro stressig sein wird. Bei den Lymphdrainagen war ich etwas skeptisch, da ich Drainagen nur aus dem Hausbau kenne und da sind es Abflussrohre die verlegt werden. Glücklicherweise habe ich mich getäuscht und es stellte sich als sehr angenehme Ganzkörpermassage heraus, die ebenfalls ihre Wirkung tat.
Nach einem CT im August 04 wurde wieder ein Knoten in der linken Leiste festgestellt, der bis zu einem Kontroll-CT im November wieder gewachsen war. Allmählich tat sich dann schon Verzweiflung auf, da man mir offerierte nur noch zwei Möglichkeiten zu haben: Spenderzellen und Bestrahlung. Da mir die Option der Spenderzellen nur einmalig zur Verfügung steht, habe ich mich für die Bestrahlung entschieden. Ich bekam also im Dezember 04 insgesamt 22 Bestrahlungen, die Punktgenau den Knoten und ein geringes Umfeld in Angriff nahmen. Diese habe ich sehr gut überstanden, ohne Nachwirkungen zu spüren. Das Einzige was ich spüre ist:
DA IST NICHTS MEHR.
Ich glaube, ich habe es nun wirklich und endlich geschafft. Bei einer Ultraschall-untersuchung am 15.02.05 wurde dann auch nirgends mehr etwas gefunden. Schauen wir der Zukunft frohgemut ins Auge. Alle anderen Beschwerden, die noch im Jahre 2003 auftauchten, sind ebenfalls weg. Es kann nur aufwärts gehen.
Auch beruflich hat sich in der Zwischenzeit einiges getan. Trotz meiner langen Krankheit und einiger daraus bedingten zusätzlichen Ausfalltage (ich arbeite wieder seit Mai 2003) steht mein Chef hinter mir und ich habe meinen Aufgabenbereich größtenteils gewechselt. Habe ich „früher“ die Kunden betreut, so sind es jetzt die Kollegen, die von mir administrativ und mittels einer webbasierenden Datenbank unterstützt werden. Diese habe ich erstellt, nachdem mein Chef zu mir kam und sagte: mach doch mal was. Wir brauchen beim Kundensupport schnelle Lösungen, um die Kundenzufriedenheit noch zu steigern.
Tja, und damit ließ er mich allein. Ich hatte völlig freie Hand bei der Entwicklung und Gestaltung. Ich versuchte es zuerst über Access, stieß dann aber zu schnell auf Schwächen, die das Arbeiten mit der Lösungsdatenbank nicht nach meinen Wünschen ermöglichten. Ich habe mich dann für eine Website entschieden und ca. 1 Jahr an dem Projekt intensiv gearbeitet. Jetzt ist sie fertig (wenn man aufgrund der ständig neuen Daten natürlich nie richtig fertig wird) und die Lösungsquote direkt am Telefon, ohne nachgeschaltete Einheiten einzuschalten liegt jetzt bei ca. 95%. Das soll uns mal ein anderer HelpDesk nachmachen.
Im Augenblick arbeitet ich in einem neuen Projekt in Magdeburg mit, das eine Lösungsdatenbank für den gesamten Konzern T-Systems liefern soll. Schauen wir mal, was draus wird.
Durch die Krebserkrankung und die daraus resultierenden Behandlungen habe ich jetzt einen Behindertenstatus von 80%. Wenn die Krankheit auch furchtbar ist, dieses eine Gute hat sie aber bewirkt: mein Arbeitsplatz ist etwas sicherer, als der Nichtbehinderter. Als Behinderter wird man nicht so schnell entlassen, solange man sich nichts vorzuwerfen hat. Ich denke, dass ich meine Zeit bis zur Rente hier absitzen kann.
So, das soll es erst einmal gewesen sein.
16.08.05
Es ist mal wieder viel Zeit vergangen seit meiner letzten Eintragung. Ich war am 10.08.05 zu einer routinemäßigen CT-Untersuchung im Krankenhaus Lüneburg. Der Befund stimmt mich froh. Es ist nichts mehr zu finden. Alles weg und auch die Blutwerte sind so, wie man sie sich wünscht.
Habe ich es endlich geschafft?
Momentan denke ich, dass es erledigt ist und fühle mich auch psychisch nicht mehr so belastet. Ich hoffe, dass es so bleibt. Aber, wenn 8 Monate nach der Bestrahlung nichts mehr auftaucht, warum dann also vielleicht später doch noch?
Warten wir es ab. Es kann nur besser werden.
27.06.06
Und was soll ich sagen, es ist besser geworden. Habe bislang immer noch keine Probleme, wenngleich ich bei jedem bisschen Stechen im Halsbereich der Meinung bin, es geht wieder los. Diese Gedanken werde ich wohl nie wieder verlieren.Aber, es gibt schlimmeres. Die nächste Untersuchung habe ich im September, kurz nachdem wir aus unserem wohlverdienten Bornholm-Urlaub zurück gekommen sind. Wie es dort ausschaut, kann man hier sehen
19.03.07
Es wird mal wieder Zeit für einen neuen Zwischenstand.Ich hatte vor zwei Wochen ein CT, bei dem nichts mehr gefunden wurde. Jedenfalls haben sich die Flecken nicht verändert. Es scheint sich also um Narbengewebe zu handeln. Meine Blutwerte vom heutigen Tag sind auch (für meine Verhältnisse) in Ordnung.
Ich hatte mich immer gefragt, wie ich an den Behindertenstatus von 80% gekommen bin. Inzwischen weiß ich warum. Ich bin nicht annähernd mehr so Belastbar, wie ich es vor den Behandlungen war. Ich bin froh, dass ich hauptsächlich psychische Belastungen in meinem Beruf habe. Das schlaucht zwar auch gewaltig und ich komme selbst dabei zu Atemnot, aber wenn ich bedenke, ich sollte körperlich arbeiten: da geht gar nichts. Bei der Gartenarbeit bin ich jedenfalls extrem schnell aus der Puste und habe dann mit Kreislaufproblemen zu kämpfen. Sport? Naja, ich versuche es um fitter zu werden. Aber wie soll das gehen, wenn man so schnell die Luft „verliert“?Aber ich will nicht klagen. Ich kann immerhin immer noch atmen, was ja auch schon hätte vorbei sein können.
28.01.2009
Wie sich unschwer am Datum ablesen lässt, ist wieder einige Zeit ins Land gezogen. Ich habe in der Zwischenzeit einiges erlebt, gutes und schlechtes, aber gesundheitlich geht es mit soweit gut. Ich habe derweil noch weitere CTs hinter mich gebracht, die glücklicherweise alle positiv für mich verlaufen sind.
Ich kann zwar noch immer keinen Marathon laufen, aber das konnte ich vorher auch nicht. Momentan bin ich auf Arbeitssuche, da mein jetziger Arbeitgeber den Standort schließen wird. Ich hoffe mal, dass die Suche klappt und ich einen neuen Job erhalte. Betreut werde ich durch ein Beraterunternehmen, das mich bei der Suche unterstützt und bei der Ausarbeitung des Lebenslaufes und der Bewerbungen zur Seite steht. Mein Gott, 10 Jahre habe ich keine Bewerbung mehr schreiben brauchen. Es hat sich einiges getan in Stil und Inhalt. Aber, ich sehe auch hier positiv in die Zukunft. Es kann nur besser werden.
01.05.2018
Ein später Nachtrag.
Mit dem Beraterunternehmen hat es leider nicht geklappt, ich bekam auch mit deren Hilfe keinen Job. Also habe ich mich selbständig gemacht und hatte das Glück, dass ich (fast noch mit der Gewerbeanmeldung in der Hand) jemanden auf der Straße traf, mit dem ich ins Gespräch kam. Er kam aus der Nähe von Frankfurt und über ihn bekam ich meine ersten Aufträge. Ich schulte in süddeutschen Unternehmen das Microsoft Office Programm (Word, Excel, Outlook usw.). Mein Name wurde in der Region allmählich bekannt und es kamen weitere Aufträge, diesmal direkt von den Kunden.
Mittlerweile sind einige Schulungsjahre ins Land gezogen. Ich war im gesamten Bundesgebiet in Schulen, großen und kleinen Unternehmen, bei der Bundeswehr und allen niedersächsischen Ministerien, um deren Mitarbeiter in oben genannter Software zu schulen. Das hat mir viel Spaß gemacht. Aber aller Spaß muss auch mal ein Ende haben. Seit Oktober 2016 bin ich im vorzeitigen Ruhestand und genieße mein jetziges Leben.
Krebs? Nein Danke! Der ist geschlagen.